Handball: Slava Lochman und sein ukrainisches Handball-Nationalteam im Sportpark Großwallstadt

Liebe Leserinnen, liebe Leser.

Am 24. Februar startete Russland einen Großangriff auf die Ukraine. Ein Ende der Kampfhandlungen ist noch nicht abzusehen. Vier Wochen lassen uns die Nachrichten, die wir täglich hören und die schlimmen Bilder, die wir täglich sehen, nicht mehr los. 

Slava und Wolfgang verstehen sich super gut

Mittendrin war der Handballer Vyacheslav Lochman mit seiner Familie. Mittlerweile ist er in Deutschland angekommen und er hat es geschafft, seine Nationalmannschaft nachkommen zu lassen. Am vergangenen Montag kamen die Spieler mit ihren Familien erschöpft, aber gesund, in Großwallstadt am Sportpark an.

Zwei Kleinbusse der Firma Opel Brass, eigentlich für den Fußballnachwuchs von Viktoria Aschaffenburg gedacht, und ein Bus des Aschaffenburger Taxiunternehmers Norbert Maier, haben die Menschen von Budapest abgeholt. Einer der Initiatoren ist Rudi Brunner aus Schweinheim, der seit Jahren mit Slava Lochman befreundet ist. Er hat alles in die Wege geleitet, um die Flüchtlinge aus Ungarn – geholfen haben u. a. Helfer des ungarischen Spitzenclubs KC Veszprém – nach Deutschland zu holen. Mit wenig Gepäck, erschöpft, aber körperlich unversehrt.

Dass die Mannschaft ihr Land verlassen durfte, ist vom Sportministerium der Ukraine genehmigt worden, berichtet Slava Lochman. Sie sollen mithelfen, den ukrainischen Spitzensport im Ausland zu repräsentieren. Das wollen die Sportler gerne tun. Geplant ist, dass die Nationalmannschaft ein Freundschaftsspiel beim Bundesligisten HSG Wetzlar bestreitet und es gibt ein Spiel heute Abend, Donnerstag, gegen den Drittligisten HSG Rodgau Nieder-Roden (wir berichteten) – beide verbunden mit einer Spendenaktion.

Für gut zwei Wochen hat der ukrainische Handballverband dem Team ein Trainingslager in Großwallstadt finanziert. Aber wie geht es nach dieser Zeit weiter? “Wir sind jetzt erst mal 20 Tage hier, wissen nicht, wie es danach weitergeht”, sagt Slava. Zeitnah zurückzugehen in ein Land, in dem fast alles in Schutt und Asche liegt, es ständig Luftalarm gibt und die Menschen um ihr Leben bangen, kann er sich nicht vorstellen. “Alles, was wir wollen ist trainieren und für den ukrainischen Sport werben. Und wir wollen kämpfen – auf dem Handballfeld.”

 

Ich habe jüngst mit Slava gesprochen. Lest meinen nachfolgenden Artikel:

900 Kilometer und 40 Stunden Fahrtzeit lagen hinter Vyacheslav Lochman, als er und seine Familie endlich in Deutschland ankamen. Der gebürtige ukrainische Handballtrainer und frühere Spieler beim Zweitligisten TV Großwallstadt lebte bis vor ein paar Tagen mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einem Land, seinem Land, in dem im Moment eine permanente Lebensgefahr besteht, denn seit dem 24. Februar herrscht Krieg in der Ukraine.

„Wenn du morgens um 4.30 Uhr vom Geräusch der Bomben aufwachst und im Internet und TV siehst, dass  jetzt endgültig nichts mehr in deinem Leben so ist, wie es einmal war“, sagt Slava Lochman. Er wohnte lange mitten in Kiew in einer schönen Wohnung und er und seine Familie haben sich schon Tage zuvor Gedanken gemacht, wie es weiter gehen soll. Die russischen Truppen kamen immer näher und die Einwohner waren nirgends mehr sicher. „Wir sind erst für ein paar Tage zu einem Freund, der am Stadtrand von Kiew wohnt, gezogen, doch es wurde immer schlechter und die Soldaten kamen von allen Seiten… Ich habe nur noch an meine Familie gedacht und wollte sie unbedingt retten und in Sicherheit bringen.“
 
Es ist ihm anzusehen, wie sehr ihn die Erinnerung daran mitnimmt. Sie packten ein paar Habseligkeiten zusammen und machten sich auf die Reise nach Deutschland. Zu fünft in einem Auto plus Gepäck. Mit ein Grund, dass er das Land verlassen durfte, waren seine drei Kinder. Hier in der Nähe von Großwallstadt hat Slava gute Freunde und die erste Anlaufstation war Rudi Brunner in Schweinheim. Die beiden kennen sich, seit der Handballer das erste Mal in Großwallstadt war und für den TVG aufgelaufen ist. Das war 2004. Seither ist der Kontakt nie abgebrochen und für Brunner war es klar, dass er hilft. Lochman: „Überall in Kiew herrschte Chaos, alle wollten raus aus der Stadt und es gab viele Staus.“ Irgendwie haben die fünf es geschafft Anfang März über die ungarische Grenze nach Deutschland einzureisen. Slava ist erschüttert, als er erzählt: „Ich habe schon immer gekämpft. Aber nur als Handballspieler auf dem Feld. Ich hatte noch nie eine Waffe in der Hand, habe noch nie geschossen. Alles was ich will, ist Handball spielen oder mein Wissen weiter zu geben. Mein Leben ist Handball. Es ist alles so furchtbar traurig und nicht zu beschreiben…“ 
 
Mittlerweile hat er – wiederum durch Freunde hier in der Region – eine Wohnung in Kleinwallstadt gefunden und er und seine Familie sind mehr als dankbar dafür. Besorgt ist er auch um seine Eltern und seinen Bruder. Sie alle wohnen in Saporischschja (Zaporozhye) in der südlichen Ukraine. Seine Eltern wollen bleiben – egal, was passiert. Von Deutschland aus hilft Lochman seinen Landsleuten so gut er kann, vermittelt, dolmetscht und einiges mehr.
 
Eine Anlaufstation für ihn ist der TV Großwallstadt. Dort spielt mittlerweile sein 14-jähriger Sohn Max. Der Linkshänder spielt jetzt in der TVG-Junioren-Akademie in der B-Jugend und man merkt ihm an, dass er sich hier aufgehoben fühlt, dass er den Schock so langsam verdaut.
TVG-Geschäftsführer Michael Spatz sagt: „Wir haben alles getan, dass Max so schnell es geht bei uns integriert wird.“ Es wurde bereits ein Mitgliedsantrag ausgefüllt und die Spielberechtigung für die TVG-Junioren beantragt. „Trotz dieser angespannten Situation ist es eine Menge an Bürokratie, die erledigt werden muss“, sagt Spatz. Er selbst hat – über die Vermittlung von Slava – den ukrainischen Kapitän der Nationalmannschaft – Ievgen Zhuk mit seiner Familie bei sich aufgenommen. „Wenn du siehst, wie fertig die Leute hier ankommen, das geht wirklich unter die Haut und deshalb hilft man gerne. Zhuk spielte zuletzt in Russland und musste schnell das Land verlassen“, sagt Michael Spatz.
 
Auch er hat in Kleinwallstadt jetzt bei der Familie Leo und Renate Löffler eine Bleibe gefunden. Nun suchen die beiden schnellstens einen Job. Spatz: „Zhuk ist ein sehr guter Spieler. Da er aber auf Linksaußen spielt, können wir ihn leider nicht verpflichten. Da sind wir gut aufgestellt. Aber wir helfen ihm bei der Suche nach einem neuen Verein.“ Auch für Slava versucht der TVG, eine Arbeit zu finden. Der ukrainische Nationaltrainer und A-Lizenz-Inhaber wird nun erst einmal beim TVG-Handball-Camp der Jugend, das über Ostern stattfindet, mithelfen. Spatz: „Vielleicht können wir ihn zunächst in der Jugendarbeit integrieren.“
 
Der ukrainische Nationaltrainer Lochman hofft, dass er seine Mannschaft bald wieder einmal sehen kann. Dies ist ihm nun gelungen und sein Traum von einem Trainingslager in Großwallstadt hat sich auch erfüllt. Schneller als gedacht. „Die Hälfte meiner Spieler spielt im Ausland und ist deshalb in Sicherheit. Ich hoffe, dass dieser fürchterliche Krieg bald zu Ende ist. Mein Herz blutet, wenn ich das alles sehe. Am 16. Februar war ich mit unseren Leuten vom Sportministerium noch im Olympiastadion in Kiew. Da war die Welt noch in Ordnung. Eine Woche später hatten wir Krieg…“
 
 
Vita Slava Lochman:
 
Er begann mit dem Handballspielen mit sieben Jahren.
  • von 1994 bis 2004 spielte er bei HC ZTR Zaporozhye
  • 2004 bis 2007 war er beim TV Großwallstadt in der 1. Bundesliga
  • 2007 – 2009 Dubai
  • 2009 – 2010 Dynamo Minsk
  • 2010 – 2011 Motor Zaporozhye
  • Ende seiner aktiven Karriere
  • 2011 – 2016 Trainer ZNTU ZAS Zaporoshye 
  • 2011 – 2015  Trainer der Jugend-Nationalmannschaft
  • 2016  – 2021 Trainer an der Handballschule Kiew der Olympia-Reserve Ukraine
  • 2021Trainer der Jugendnationalmannschaft U 18
  • 2021 – 2022 Trainer der Nationalmannschaft der Ukraine, Teilnemer der EM 2022
Titel: Unzählige Titel hat Slava Lochman in seiner aktiven Karriere erreicht wie siebenmaliger ukrainischer Meister, Gewinn des Tunesien Cup, Gewinn des African Cup, Gewinner des UAE Cup, Auszeichnung als Spieler des Nationalteams der Ukraine von 1995 bis 2010 und vieles mehr.
 
Die Bilder hat uns Slava zur Verfügung gestellt, das Bild mit Wolfgang Schüßler habe ich selbst aufgenommen.