Liebe Leserinnen, liebe Leser.
Was machen gehörlose Menschen in der Corona-Zeit, in der Mund- und Nasenschutzbedeckung Pflicht ist, die aber von den Lippen ablesen müssen, um zu verstehen, was der andere sagt?
Wir haben bei einer Tennisspielerin mit diesem Handicap nachgefragt. Lest nachfolgenden Bericht über die Laufacherin Verena Fleckenstein, die in der Tennis-Weltrangliste des ICSD (International Comitee of Sports for the Deaf) auf dem vierten Platz steht.
Den Artikel könnt Ihr auch in meiner Heimatzeitung Main-Echo lesen.
Verena Fleckenstein steht in der Tennis-Weltrangliste auf Platz vier. Auf der Tennis-Weltrangliste des ICSD, des International Comitee of Sports for the Deaf“. Seit dem vierten Lebensjahr lebt die 43-jährige Laufacherin damit, dass sie nicht so gut hören kann wie ihre Mitmenschen. Mit eiserner Disziplin hat sie es geschafft, dass sie sehr eigenständig leben kann, gut mit ihrem Handicap zurecht kommt und mitten im Berufs- und Sportlerleben steht.
Erfolgreiche Tennisspielerin
Die erfolgreiche Tennisspielerin, die in ihrem Heimatverein TC Laufach (TC Laufachtal) als Jugendtrainerin fungiert, spielt beim TV Aschaffenburg in der Landesliga der Damen und gehört dem GTSV Frankfurt, dem Gehörlosen Turn- und Sportverein, an. Auch sie wurde von der Corona-Pandemie „kalt erwischt“. „Es ist schon heftig und wir alle haben gerade eine sehr schwere Zeit zu überstehen“, sagt sie. Sie ist im Außendienst in verschiedenen Bau- und Kaufhäuser unterwegs und muss daher auch viele Stunden täglich eine Nasen- und Mundschutzbedeckung tragen. Doch wie geht sie selbst damit um, wie empfindet sie es bei ihren Mitmenschen? „Für mich ist dies eine große Herausforderung. Ich bin oft darauf angewiesen, meinen Mitmenschen von den Lippen abzulesen. Das ist derzeit nicht möglich“, erzählt uns Verena. Sie hat in ihrem Beruf sehr viel mit Menschen zu tun und sagt: „Einige haben eine sehr klare Aussprache. Andere wiederum nicht. Doch generell ist das Verstehen mit Maske schwierig, sagen mir selbst Normalhörende.”
Verena mit ihrer Doppelpartnerin Heike
Sie hat für sich selbst schon einige Masken ausprobiert. Medizinische, Einmalmasken, Stoffmasken. Doch wenn zum Beispiel in einem Markt trockene Luft herrscht, fehlt ihr manchmal die Luft zum Atmen. „Generell finde ich die Maskenpflicht in unserem Land in Ordnung. Besser eine getragen als krank geworden. Wir müssen Rücksicht aufeinander und untereinander nehmen. Aber für gehörlose Menschen ist es wirklich eine Herausforderung.“
Mit den Augen ausgleichen
Gut, dass sie sie nicht beim Tennis tragen muss. Doch auch hier ist ihr Engagement in der Jugendarbeit derzeit aufwendiger als sonst. Als Trainerin muss sie darauf achten, dass der Mindestabstand eingehalten wird und so „muss ich mit den Augen ausgleichen, was ich mit den Ohren nicht so wahrnehmen kann.“
Trotzdem möchte sie ihre Schützlinge nicht missen und ist froh, dass sie alle wieder auf dem Platz um sich versammelt hat. Sie hat sie in der tennisfreien Zeit schon sehr vermisst. Die Laufacherin trainiert den Nachwuchs von drei bis 18 Jahren und muss in ihrem Heimatort gegen viel Konkurrenz anlaufen. „Wir haben im Ort Fußball, Leichtathletik, den Musikverein und einiges mehr. Wenn man gute Jugendarbeit machen will, ist es wichtig, den Nachwuchs gut zu betreuen und sich richtig zu kümmern. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Andererseits gibt mir die Arbeit mit den Kids auch sehr viel.“
Viele Auszeichnungen für Verena
An den Heimspieltagen ihrer Schützlinge versucht sie immer anwesend zu sein. Wenn sie nicht gerade selbst im Einsatz ist. Sei es beim TVA oder bei der EDSO, der European Deaf Sport Organization. Zweimal bekam sie in ihrer Karriere das Silberne Lorbeerblatt, 2018 wurde sie auf der Frankfurter Sportgala zur Behindertensportlerin des Jahres gekürt. Hinzu gesellen sich EM- und WM-Gold im Doppel, EM-Silber im Mixed, Deaflympic-Gold im Doppel. Die Liste der Auszeichnungen ist lang.
Gerade erst vom 21. bis zum 23. Mai wären normalerweise die deutschen Tennis-Meisterschaften der Gehörlosen in Dresden über die Bühne gegangen. „Alle vier Jahre tragen alle DGS Sparten (Deutsche Gebärdensprache, Anm. d. Red.) ihre deutschen Meisterschaften aus und man trifft sich alle vier Jahre in einer anderen Stadt. 2016 war es in Essen. Heuer war Dresden dran“, sagt Verena. Sie bedauert die Absage.
Kein Tennis am Rothenbaum
Und es geht weiter. Im Juli wären die 14. Deaf Tennis European Championships am Hamburger Rothenbaum gewesen. Verena: „Nicht nur ich, wir alle hatten uns schon so sehr darauf gefreut, eine EM im eigenen Land und noch dazu im berühmten Hamburger Rothenbaum-Stadion auszutragen. Leider hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Veranstaltung musste abgesagt werden.“ Für ihre Mitstreiter Heike Albrecht, Urs Breitenberger, Sebastian Schäffer und die talentierten Nachwuchsleute ist auch diese Absage eine große Enttäuschung. Ob das Event im nächsten Jahr nachgeholt werden kann, steht noch nicht fest. Denn für Dezember 2021 sind die Olympischen Spiele der Gehörlosen, die Deaflympics, in Brasilien geplant und zwei Großereignisse in einem Jahr werden wohl nicht durchführbar sein.
Strahlende Gesichter bei den Doppelpartnerinnen
Das Energiebündel konzentriert sich deshalb zunächst einmal auf die „Übergangssaison 2020“ im bayerischen Tennis. „Das wird für uns alle ein neues Kapitel werden. Ich bin gespannt. Wir hätten unser erstes Spiel am 21. Juni zuhause gegen Coburg. Aber vielleicht gibt es auch noch einmal eine neue Einteilung, wird der Termin noch einmal verschoben oder es gibt bis dahin noch mehr Lockerungen was die Fahrten, die Bewirtung, das Duschen usw. angeht. Wir gucken einfach, was auf uns zukommt“, schaut sie zuversichtlich nach vorne.
Wir wünschen Verena alles Gute für ihre Zukunft. Sie ist ein durch und durch positiver Mensch und wir wünschen ihr, dass dies so bleibt.
Bleibt gesund, passt auf Euch auf!